Wissenswertes

Barrierefreiheit

Eine umfassende Barrierefreiheit in allen Lebensbereichen bildet eine wesentliche
Voraussetzung für ein selbstbestimmtes Leben von Menschen mit Behinderungen,
unabhängig von der Art und Form der Beeinträchtigung. Nach der BRK ist diese in
einem umfassenden Sinn zu verstehen und beinhaltet die Gewährleistung gesell-
schaftlicher Teilhabe in allen Bereichen, zum Beispiel in der Nutzbarkeit von Dienst-
leistungen, der Zugänglichkeit von Gebäuden, von Verkehrsmitteln aller Art, der
Gestaltung von Außenbereichen sowie allen Informations- und Kommunikations-
systemen. Diese Aufzählung ist nicht abschließend.
Deshalb setzt sich die ISL dafür ein, die Kriterien für Barrierefreiheit, insbesondere
auch in Bezug auf Leichte Sprache, laufend zu aktualisieren und für alle Lebens-
bereiche (beispielsweise in partizipativ gestalteten Lehr- und Lernsituationen oder in
medizinischen Behandlungskontexten) verbindliche Kriterienkataloge zu erarbeiten
und vorzugeben.
Des Weiteren unterstützt die ISL alle Bestrebungen, die der Erweiterung von
Barrierefreiheit um den Aspekt des »Universellen Designs«7 dienen. Hierzu regt die
ISL einen speziellen Aktionsplan an.
Das mit der BRK und dem Behindertengleichstellungsgesetz (BGG)8 eingeführte
Konzept der »Angemessenen Vorkehrungen« verpflichtet öffentliche Institutionen, die
Teilhabe behinderter Menschen ungeachtet der Art und Form ihrer Beeinträchtigung
individuell sicherzustellen und Einzelfalllösungen zu finden. Die »Angemessenen
Vorkehrungen« umfassen im Sinne der BRK aber auch die Verpflichtung für öffent-
liche und private Institutionen, über die allgemeinen Anforderungen an die Barriere-
freiheit hinaus Lösungen für die Allgemeinheit bereitzustellen, soweit sie dadurch

nicht unverhältnismäßig oder unbillig belastet werden. Die Lösungen müssen im
Einzelfall geeignet und erforderlich sein, um sicherzustellen, dass Menschen mit
Behinderungen gleichberechtigt mit anderen alle Rechte genießen können. Dieses
Konzept muss neben den Verpflichtungen zur Barrierefreiheit weiter fortentwickelt
werden. Da das Konzept der »Angemessenen Vorkehrungen« noch weitgehend unbe-
kannt ist, regt die ISL diesbezügliche Schulungen sowie die Erstellung eines
Leitfadens an.

Peer Counseling – Peer Support

Mit den Methoden des »Peer Support« und »Peer Counseling« stärkt und berät die ISL
Menschen mit Behinderungen im Sinne des Empowerments und der Emanzipation,
damit sie Zugang zu ihren eigenen Persönlichkeitsstärken und Ressourcen bekommen
und ihr Leben selbstbestimmt gestalten können.
Peer Counseling und Peer Support haben außerdem einen gesellschaftspolitischen
Anspruch. Hierdurch werden Menschen mit Behinderungen unterstützt,
Diskriminierungen nicht nur als individuelle Probleme zu betrachten, sondern gesell-
schaftliche Ursachen für Ungleichbehandlungen und Ausgrenzungen zu erkennen.
Fast alle Menschen mit Behinderungen machen ähnliche Erfahrungen mit
Diskriminierungen.
Insofern sind sie als Peers (= ähnlich Betroffene) zu bezeichnen. Inklusion wird durch
das Rollenmodell von Peers unterstützt, man spricht auch ganz allgemein von »Peer
Support«. In den Artikeln 24 und 26 der BRK wird der Einsatz eines solchen »Peer
Supports« ausdrücklich gefordert. Deshalb muss der Peer-Ansatz in der ehren-
amtlichen, vor allem aber in der hauptberuflichen Beratungsarbeit gestärkt und
regulär umgesetzt werden.
Die Beratungsmethode des »Peer Counseling« ist die professionalisierte Form des
»Peer Support«. Sie ergänzt und fördert die behindertenpolitischen Aktivitäten der
Selbstbestimmt-Leben-Bewegung behinderter Menschen in Deutschland. Menschen
mit Behinderungen werden als Expertinnen in eigenen Angelegenheiten ermutigt, ihre Fähigkeiten und Ressourcen selbstverantwortlich für ihr eigenes Leben zu nutzen. Dieser Prozess wird durch die persönliche Erfahrung der behinderten Beraterinnen unterstützt.

Umfassende Assistenz – Schlüssel für ein selbstbestimmtes Leben

Eine wichtige Grundlage für die Ausgestaltung einer selbstbestimmten Lebens-
führung außerhalb und unabhängig von Einrichtungen ist für viele Menschen mit
Behinderungen aller Altersgruppen eine bedarfsgerechte Assistenz in allen Lebens-
bereichen. Eine besondere Form der Assistenz ist die Persönliche Assistenz. Sie ist aus
Sicht der ISL von besonderer Bedeutung, weil alle wichtigen Gestaltungsrechte (auch
Kompetenzen genannt) beim behinderten Menschen liegen und so erst eine bedarfs-
gerechte individuelle persönliche Unterstützung möglich wird. Bei den Gestaltungs-
rechten handelt es sich um die Personalkompetenz, die Organisationskompetenz, die
Anleitungskompetenz, die Raumkompetenz, die Finanzkompetenz und die
Differenzierungskompetenz.5 Persönliche Assistenz umfasst insbesondere Unterstüt-
zungsleistungen im pflegerischen Bereich, bei schulischer, beruflicher und lebens-
langer Bildung, im Erwerbsleben, im Haushalt, im Urlaub, zur Mobilität, zur
Kommunikation und bei der Elternschaft. Durch die Gewährleistung der individuell
notwendigen Assistenz ist die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben auch für
Menschen mit einem hohen Unterstützungsbedarf möglich.
Die ISL setzt sich für die Verwirklichung des Rechts auf eine bedarfsgerechte
umfassende Assistenz ein, unter anderem für die Realisierung der persönlichen
Assistenz, wie sie im Artikel 19 der BRK vorgesehen ist. Diese Assistenzformen
müssen einkommens- und vermögensunabhängig als eigene Teilhabeleistung
bundesweit und im Ausland zur Verfügung gestellt werden. Minderjährige Kinder,

Lebenspartner*innen und andere Familienangehörige dürfen zu Pflege- und
Assistenzleistungen nicht verpflichtet werden.

Politische Partizipation – Nichts über uns ohne uns!

Menschen mit Behinderungen haben das gleiche Recht auf politische Partizipation
wie alle anderen Bürger*innen. Das bedeutet einerseits, dass sie die Möglichkeit
haben müssen, in vollem Umfang das aktive und passive Wahlrecht auszuüben;
andererseits muss es ihnen ermöglicht werden, ihre Interessen zu formulieren und
wirkungsvoll zu vertreten. Menschen mit Behinderungen sind entsprechend der
Vorgaben der BRK in allen politischen Bereichen und nicht nur in der Behinderten-
politik zu beteiligen.

Barrierefreiheit, Universelles Design und Angemessene Vorgehrungen

Eine umfassende Barrierefreiheit in allen Lebensbereichen bildet eine wesentliche
Voraussetzung für ein selbstbestimmtes Leben von Menschen mit Behinderungen,
unabhängig von der Art und Form der Beeinträchtigung. Nach der BRK ist diese in
einem umfassenden Sinn zu verstehen und beinhaltet die Gewährleistung gesell-
schaftlicher Teilhabe in allen Bereichen, zum Beispiel in der Nutzbarkeit von Dienst-
leistungen, der Zugänglichkeit von Gebäuden, von Verkehrsmitteln aller Art, der
Gestaltung von Außenbereichen sowie allen Informations- und Kommunikations-
systemen. Diese Aufzählung ist nicht abschließend.
Deshalb setzt sich die ISL dafür ein, die Kriterien für Barrierefreiheit, insbesondere
auch in Bezug auf Leichte Sprache, laufend zu aktualisieren und für alle Lebens-
bereiche (beispielsweise in partizipativ gestalteten Lehr- und Lernsituationen oder in
medizinischen Behandlungskontexten) verbindliche Kriterienkataloge zu erarbeiten
und vorzugeben.
Des Weiteren unterstützt die ISL alle Bestrebungen, die der Erweiterung von
Barrierefreiheit um den Aspekt des »Universellen Designs«7 dienen. Hierzu regt die
ISL einen speziellen Aktionsplan an.
Das mit der BRK und dem Behindertengleichstellungsgesetz (BGG)8 eingeführte
Konzept der »Angemessenen Vorkehrungen« verpflichtet öffentliche Institutionen, die
Teilhabe behinderter Menschen ungeachtet der Art und Form ihrer Beeinträchtigung
individuell sicherzustellen und Einzelfalllösungen zu finden. Die »Angemessenen
Vorkehrungen« umfassen im Sinne der BRK aber auch die Verpflichtung für öffent-
liche und private Institutionen, über die allgemeinen Anforderungen an die Barriere-
freiheit hinaus Lösungen für die Allgemeinheit bereitzustellen, soweit sie dadurch

nicht unverhältnismäßig oder unbillig belastet werden. Die Lösungen müssen im
Einzelfall geeignet und erforderlich sein, um sicherzustellen, dass Menschen mit
Behinderungen gleichberechtigt mit anderen alle Rechte genießen können. Dieses
Konzept muss neben den Verpflichtungen zur Barrierefreiheit weiter fortentwickelt
werden. Da das Konzept der »Angemessenen Vorkehrungen« noch weitgehend unbe-
kannt ist, regt die ISL diesbezügliche Schulungen sowie die Erstellung eines
Leitfadens an.

Mobilität

Für viele behinderte Menschen stellt die eingeschränkte Mobilität aufgrund
mangelhafter Barrierefreiheit ein großes Problem dar.9 Deshalb setzt sich die ISL auf
allen Ebenen für einen barrierefreien Nah- und Fernverkehr (einschließlich
barrierefreier Sanitäreinrichtungen) ein und ergänzend für ein bedarfsgerechtes
Angebot an speziellen Beförderungsdiensten, da nie alle Menschen mit Behin-
derungen barrierefreie Verkehrsmittel werden nutzen können.
Um für einen barrierefreien Tourismus eine durchgehend barrierefreie Servicekette zu
realisieren, plädiert die ISL für einen »Aktionsplan barrierefreier Deutschland-
tourismus«.

Sozialpolitik

Um dem Leitgedanken der BRK gerecht zu werden, ist die volle, wirksame und
gleichberechtigte soziale Teilhabe behinderter Menschen auch in der Sozialpolitik in
Deutschland sicherzustellen. Das Bundesteilhabegesetz hatte ursprünglich den
Anspruch, die Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderungen aus der sozial-
hilferechtlichen Fürsorge in ein modernes Teilhaberecht zu überführen. Es ist nicht
hinnehmbar, dass Leistungen der Eingliederungshilfe und Hilfe zur Pflege nur
abhängig von eigenem Einkommen und Vermögen erbracht werden. Art und Ausmaß
der bereitzustellenden Unterstützungsleistungen müssen geeignet sein, Menschen
mit Behinderungen die volle, wirksame und gleichberechtigte gesellschaftliche
Teilhabe zu ermöglichen. Dabei müssen – wie auch bei anderen Rehabilitations-
leistungen – die berechtigten Wünsche behinderter Menschen berücksichtigt werden,
ohne nur die kostengünstigste Lösung in Betracht zu ziehen. Unter dem Stichwort der
personenzentrierten Hilfe müssen individuelle Lösungskonzepte gefunden, statt auf
bestehende Angebote verwiesen werden. Bei der Bedarfsermittlung muss der
Teilhabebedarf umfassend ermittelt, bei allen Schritten die Leistungsberechtigten
beteiligt und umfassend beraten werden. Dabei müssen die neu eingerichteten
»Ergänzenden unabhängigen Teilhabeberatungsstellen (EUTB)« auf Wunsch der
Betroffenen diesen Prozess begleiten und sie in ihren Interessen unterstützen. Der
Verweis auf Sondereinrichtungen als Alternative zu einem selbstbestimmten Leben
hat zu unterbleiben.

Alle Leistungen, die dem Ausgleich behinderungsbedingter Nachteile in der Gesell-
schaft dienen, müssen – auch nach Auffassung des UN-Fachausschusses für die
Rechte von Menschen mit Behinderungen – unabhängig vom Einsatz eigenen
Einkommens und Vermögens erbracht werden. Es darf nicht sein, dass berufstätige
behinderte Menschen einen Großteil ihres Einkommens für ihre Persönliche Assistenz
aufwenden müssen. Ihre berufliche und soziale Teilhabe sicherzustellen, ist eine
gesamtgesellschaftliche Aufgabe und muss daher auch von allen finanziert werden.
Alles andere ist eine unzulässige Benachteiligung behinderter Menschen.
Die vorhandene Angebotsstruktur ist häufig nicht geeignet, behinderten Menschen
ein selbstbestimmtes und nach ihrer individuellen Lebensplanung gestaltetes Leben
zu ermöglichen. Daher ist es für viele besser, statt fremdbestimmter Angebote (zum
Beispiel der Wohlfahrtsverbände), ein Persönliches Budget in Anspruch zu nehmen,
mit dem sie sich die geeigneten Leistungen selbst einkaufen können. Sie können so
sogar als Arbeitgeberinnen die Persönlichen Assistentinnen selbst auswählen,
beschäftigen, anleiten und einsetzen. Dieses wird aber von den Leistungsträgern
immer wieder erschwert oder verhindert, obwohl hierauf ein Rechtsanspruch besteht.
Soviel Kompetenz wird behinderten Menschen oft nicht zugetraut und sie selber
scheuen häufig die schwierige verwaltungsmäßige Abwicklung.
In der Pflegeversicherung ist es immer noch nicht möglich, die Sachleistungen in eine
Geldleistung in das Persönliche Budget einzubeziehen und die Unterstützung selbst
zu organisieren. Man wird auf das wesentlich geringere Pflegegeld verwiesen oder
bekommt Gutscheine, die nur bei einem anerkannten Pflegedienst eingelöst werden
können. Dadurch können die höheren Mittel für die Sachleistungen im Arbeit-
gebermodell nicht zur Finanzierung der selbst beschäftigten Assistent*innen einge-
setzt werden. Ein umfassendes Arbeitgebermodell wird so torpediert.

Bildung

Inklusion* muss für Menschen mit Behinderungen von Kindheit an realisiert werden.
Mit der BRK haben sich die Vertragsstaaten zu einem inklusiven Bildungssystem
verpflichtet. In Deutschland besucht jedoch noch ein wesentlicher Teil aller
Schülerinnen mit Behinderungen oder »sonderpädagogischem Förderbedarf« eine Förderschule11.12 Die Mehrzahl von Kindern und Jugendlichen mit Behinderungen wird somit nicht in einem inklusiven Bildungssystem unterrichtet. Qualifizierte Schul- abschlüsse, Berufsausbildungen und weiterführende Qualifikationen werden dadurch besonders schwer erreichbar. Viele der Schülerinnen erreichen im Erwerbsleben nie
den allgemeinen Arbeitsmarkt. Schülerinnen aus Förderschulen werden besonders oft in institutionell vorgeprägte Sonderwege ohne Wahlmöglichkeiten (wie Werk- stätten für behinderte Menschen) gedrängt. Aber auch Schülerinnen mit Behinderungen, die an Regelschulen unterrichtet
werden, erhalten zu oft keinen gleichberechtigten Zugang zu Bildung, weil die
personellen und sachlichen Ressourcen fehlen. Schulische Inklusion beziehungsweise
der gemeinsame Unterricht wird als Sparmodell realisiert. Neben der damit
verbundenen Benachteiligung der Schüler*innen wird so der Grundsatz der Inklusion
untergraben.
Die ISL setzt sich dafür ein, das deutsche Bildungssystem konsequent zu einem
inklusiven Bildungssystem umzubauen und die dafür erforderlichen
Rahmenbedingungen zu schaffen. Zu einem inklusiven Bildungssystem gehört der
Abbau der Förderschulen, die sofortige Umsetzung individueller Inklusion, das
Vorhalten »Angemessener Vorkehrungen«, bei Bedarf das Angebot selbstbestimmter
Assistenz, die Schulung der Lehrkräfte und die Sicherstellung umfassender
Barrierefreiheit des schulischen Umfelds, der Materialen und Lehrpläne. Damit ist die
vorschulische Bildung, die Schulzeit, Ausbildung und Hochschule genauso gemeint
wie das lebenslange Lernen.
Zum Thema Bildung gehört auch die Menschenrechtsbildung. In Deutschland ist der
gleiche Schutz der Würde aller Menschen noch lange nicht als gesellschaftlicher

Konsens zu betrachten. Deshalb unterstützt die ISL alle Maßnahmen und
Organisationen, die sich für Menschenrechte und gegen Diskriminierung engagieren.

*Das Konzept der Inklusion bezieht sich auf alle Lebensbereiche, wird aber im Zusammenhang mit Bildung
verstärkt wahrgenommen.

Berufliche Teilhabe

Berufliche Teilhabe ist für Menschen mit Behinderungen von zentraler Bedeutung für
ihre gleichberechtigte gesellschaftliche Teilhabe. Arbeitslosigkeit, fehlende Berufs-
ausbildung und ein geringes Einkommen verringern Lebenschancen und die Lebens-
qualität erheblich. Oft liegt dies nicht an der Beeinträchtigung selbst, sondern an
strukturellen und legislativen Hindernissen.
Viele behinderte Menschen werden überbetrieblich und arbeitsmarktfern ausgebildet
und haben damit nur geringe Chancen, eine Beschäftigung auf dem allgemeinen
Arbeitsmarkt zu erhalten.
Behinderte Menschen, die im Laufe ihres Erwerbslebens eine Schwerbehinderung
bekommen, haben Schwierigkeiten, ihren Arbeitsplatz zu erhalten, auch weil
bestehende Rechtsansprüche auf unterstützende Leistungen kaum bekannt sind.
Dadurch leben viele Menschen mit einer Behinderung in prekären finanziellen
Verhältnissen. Frauen mit Behinderungen sind deutlich häufiger von Erwerbslosigkeit
betroffen und erzielen bei einer Beschäftigung ein deutlich geringeres Einkommen
als Männer mit Behinderungen, auch weil sie häufig in Teilzeit beschäftigt sind und in
gering qualifizierten Berufen arbeiten.
Die Werkstätten für behinderte Menschen (WfbM) sind ein Angebot der beruflichen
Rehabilitation. Es handelt sich dabei um Sondereinrichtungen, in der kein existenz-
sicherndes Einkommen erzielt werden kann. Die WfbM-Träger selbst unternehmen
kaum Anstrengungen der Vermittlung auf den regulären Arbeitsmarkt, weil sie von
einer hohen Platzauslastung finanziell profitieren. Die Möglichkeit, dauerhaft
ausgelagerte Arbeitsplätze im Rahmen der Werkstattleistung einzurichten, verhindert
Übergänge in reguläre Beschäftigungsverhältnisse.
Das Budget für Arbeit und die Beschäftigung bei anderen Leistungsanbietern stellen
eine Alternative zur Beschäftigung in einer WfbM dar. Allerdings wird ohne eine
verlässliche Beratung und Information diese wichtige Alternative zur Beschäftigung
in einer Sondereinrichtung nur die Ausnahme bleiben.
Die ISL engagiert sich für einen inklusiven Ausbildungs- und Arbeitsmarkt, auf dem
behinderte Menschen Wahlmöglichkeiten haben.

Gesundheitspolitik

Obwohl behinderte Menschen nach der BRK das Recht auf das erreichbare Höchstmaß
an Gesundheit ohne jegliche Diskriminierung aufgrund ihrer Beeinträchtigung haben,
sind sie in verschiedenen Bereichen unseres Gesundheitssystems benachteiligt. Die
Probleme reichen von nicht barrierefreien Arztpraxen und fehlender Assistenz im
Krankenhaus über mangelndes Wissen von Ärztinnen und medizinischem Personal, insbesondere in puncto Versorgung chronischer Erkrankungen und zusätzlichen Beeinträchtigungen (zum Beispiel Sinnesbeeinträchtigungen oder psychosozialen Gesundheitsbeschwerden). Zu beklagen sind darüber hinaus das Fehlen einer ganz- heitlichen Diagnostik und Therapie, einer umfassenden Patientinnen-zentrierung,
bei der die Orientierung am individuellen Hilfe- und Unterstützungsbedarf im Mittel-
punkt steht, die Schnittstellenproblematik beim Übergang vom stationären zum
ambulanten Bereich sowie die unzureichende Personalversorgung aufgrund von

vermeintlichen Sparzwängen. Zusätzlich sind menschenrechtliche Probleme in der
medizinischen Versorgung von Menschen mit Behinderungen beziehungsweise Beein-
trächtigungen zu konstatieren, unter anderem im psychiatrischen und psychosozialen
Versorgungssystem. Die Durchführung von Zwangsmaßnahmen (wie Zwangs-
unterbringung, Zwangsdiagnostik, Zwangsmedikation, »Fixierung«, Isolierung,
Anwendung von Sanktionen, zwangsweise durchgeführte therapeutische
Interventionen, Elektroschock oder sogar Operationen, etc.) sind mit der BRK nicht
vereinbar und als »medizinische Hilfe« gänzlich ungeeignet. Die ISL befürwortet die
Einsetzung einer neuen Psychiatrie-Enquête, um die menschenrechtliche Situation
umfassend zu untersuchen, so wie es der UN-Fachausschuss für die Rechte von
Menschen mit Behinderung (CRPD-Committee) bereits 2015 angemahnt hat.
Die ISL kritisiert die einseitige Fixierung auf eine defizitorientierte medizinische
Perspektive und engagiert sich für die Verbreitung des ressourcenorientierten
salutogenetischen13 Ansatzes. Außerdem setzt sich die ISL dafür ein, dass alle
Gesundheitsleistungen von Menschen mit Behinderungen gleichberechtigt wahr-
genommen werden können. In der medizinischen Behandlung und Pflege ist in allen
Sektoren der gesundheitlichen Versorgung sicherzustellen, dass Kommunikations-
settings partizipativ gestaltet werden. Informierte Entscheidungen in Bezug auf alle
diagnostischen, therapeutischen und pflegerischen Maßnahmen sind zu gewähr-
leisten. Beschwerdemöglichkeiten sind klar zu kommunizieren, das
Beschwerdemanagement ist auszubauen.
Die ISL plädiert für einen Aktionsplan zum Umbau des Gesundheitswesens im Sinne
der BRK, in dem Maßnahmen definiert sowie Zeithorizonte und Zuständigkeiten fest-
geschrieben werden.

Frauen mit Behinderung/Gender

Frauen und Mädchen mit Behinderungen sind in vielen gesellschaftlichen Bereichen
mehrfacher Diskriminierung ausgesetzt. Sie sind sowohl gegenüber behinderten
Männern als auch gegenüber Frauen ohne Beeinträchtigungen benachteiligt.
Besonders deutlich zeigt sich die Benachteiligung in folgenden Lebensbereichen:
Behinderte Frauen sind zwei- bis dreimal häufiger von (sexualisierter) Gewalt
betroffen als nicht behinderte Frauen. Außerdem bilden sie das Schlusslicht auf dem
Arbeitsmarkt und sind entsprechend im besonderen Maße von Armut betroffen. Auch
in Partnerschaft und Familien werden sie benachteiligt, denn Frauen mit Behinerungen

sind als Partnerinnen und vor allem als Mütter nicht vorgesehen. Die
Mutterrolle wird ihnen nicht zugetraut, so dass einige von ihnen sogar ohne
informierte Einwilligung sterilisiert werden.

Behinderung und Migration

Behinderte Menschen mit Migrationsgeschichte erleben aufgrund der Merkmale
»Behinderung« und »ethnische Herkunft« häufig mehrfache Benachteiligung: Sie
werden entweder nur als Migrantinnen oder nur als behinderte Menschen einbezogen. Die Beratung für Migrantinnen berücksichtigt nur selten die Bedarfe
behinderter Menschen, die Beratung behinderter Menschen ist nicht kultursensibel.
Es gibt kaum mehrsprachige und leicht verständliche Informationsmaterialien über
Unterstützungsangebote für sie. Behinderte Kinder mit Migrationsgeschichte werden
aufgrund von Sprachdefiziten häufig auf Förderschulen verwiesen. Als Erwachsene
wird ihnen dann eine Arbeit in einer Werkstatt für behinderte Menschen (WfbM)
nahegelegt.
Behinderte Geflüchtete haben deutlich weniger Rechte als Inländer*innen: Im Asyl-
verfahren werden ihnen nur eine minimale medizinische Versorgung, aber keine
Leistungen der Eingliederungshilfe gewährt. Familien mit schwerstpflegebedürftigen
Kindern werden häufig, wie alle anderen geflüchteten Menschen in Erstaufnahme-
einrichtungen, ohne barrierefreie Zimmer oder Wohnungen untergebracht. Die Fest-
stellung des Grades der Behinderung (mit dem damit verbundenen Anspruch auf
Nachteilsausgleiche) erfolgt erst, wenn ihr Aufenthalt voraussichtlich dauerhaft ist
und sich verstetigt hat, da das entsprechende Gesetz nur für Menschen gilt, »deren
gewöhnlicher Aufenthaltsort Deutschland ist«. Gehörlose Menschen erhalten keine
Unterstützung oder Sprachkurse in Gebärdensprache, blinden Menschen wird das
notwendige Reha-Training verweigert.
Menschen mit Behinderungen, die in Deutschland leben und für die das
Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) gilt, sind von Leistungen der Eingliederungs-
hilfe zur beruflichen und sozialen Teilhabe dauerhaft ausgeschlossen. Das gilt auch
nach der Novellierung durch das Bundesteilhabegesetz (BTHG).